Baustein 3: Kriegsbegeisterung?
Bausteine zur Interpretation von Fotografien im Geschichtsunterricht
Der „Blitzkrieg“ gegen Polen verlief zwar erfolgreich, dennoch herrschte in der deutschen Bevölkerung 1940 keine Begeisterung für einen Waffengang gegen Frankreich und die anderen westeuropäischen Staaten. Viele Deutsche hatten trotz der Propaganda Angst, denn die Erinnerungen an die Leiden des Ersten Weltkrieges waren noch präsent. Auf Böckenhoffs Foto kommen unterschiedliche Einstellungen zum Vorschein. Neben Begeisterung sieht man nachdenkliche Menschen und Zivilisten, die gelassene Gleichgültigkeit zeigen. Auch wenn Adolf Hitler sich im Sommer 1940 nach dem Sieg über Frankreich auf dem Höhepunkt seiner Macht befand, so wird doch durch das Foto deutlich, dass die Deutschen dem NS-System und seiner Kriegspolitik differenziert gegenüberstanden.
Möchten Sie den Baustein „Kriegsbegeisterung?“ als Arbeitsblatt herunterladen? Das PDF finden Sie hier (nicht barrierefrei).
Zugang/Methode: Analyse eines „Stimmungsbildes“
Aufgaben:
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Interpretieren Sie das Foto und charakterisieren sie dabei besonders die Verhaltensweisen der unterschiedlichen Personengruppen.
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Beschneiden Sie das Foto. Decken Sie hierzu die Ränder links und rechts ab. Erläutern Sie, wie sich durch diesen Ausschnitt das Foto und seine Wirkung ändert.
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Lesen Sie die Zusatzinformationen. Diskutieren Sie das Verhältnis von Text und Bild unter der Fragestellung: „Wie verändert das Lesen des Textes die Sichtweise auf das Foto?“
Zusatzinformationen:
Nach Beendigung des Polenfeldzuges begannen umfangreiche Truppenverlegungen in den Westen des Reiches. Allein in Raesfeld bezogen im Oktober 1939 rund 1.000 Soldaten eines Infanteriebataillons Quartier, denen im Dezember ein Bataillon der SS-Verfügungstruppe „Der Führer“ folgte. Die v.a. aus Österreich stammenden SS-Männer parkten ihre Militärfahrzeuge für jeden sichtbar u.a. auf dem Hof Schulze Böckenhoff und es entwickelten sich engere Kontakte zwischen den Zivilisten und den Einquartierten. Ein gutes Beispiel ist die gemütliche Tischrunde von Raesfelder Frauen und SS-Männern, die Ignaz Böckenhoff auf seinem Hof fotografierte (Abb. 2). Böckenhoff fotografierte die Soldaten nicht nur bei mehreren Kundgebungen und Paraden, sondern auch die Infanteristen bei der Kampfübung auf dem schneebedeckten Acker (Abb. 3).
Da am 10. Mai 1940 die Wehrmacht ihren Überfall auf die Niederlande begann, wird das Foto um dieses Datum herum entstanden sein. Allein aufgrund der großen Anzahl an Männern und Fahrzeugen bekam jeder Einwohner die Durchfahrt mit. Böckenhoff machte mehrere Aufnahmen und man sieht die Kolonne von Militärfahrzeugen sich wie ein Lindwurm durch Raesfeld schlängeln. Belegt ist so auch, dass die Frauen und Kindern den Männern im Wagen die Hand gaben (Abb. 4) und die Soldaten den Frauen Zetteln zuwarfen (Abb. 5).
Die SS-Truppe kehrte nicht nach Raesfeld zurück, sondern wurde nach dem Sieg über Frankreich ab Sommer 1940 in Nordfrankreich stationiert. Im Laufe des Krieges kämpfte diese SS-Einheit gegen Sowjets im Osten und die westlichen Alliierten in Frankreich. Bei den zahlreichen Schlachteinsätzen wurde sie zweimal aufgerieben, so dass die meisten Männer, die 1940 in Raesfeld einquartiert waren, das Kriegsende 1945 nicht erlebt haben.
Beobachtungen zu den Fotos:
Es sind verschiedene Verhaltensweisen sichtbar. Während die SS-Männer die Zivilisten grüßen oder nachdenklich zurückschauen, sind die Frauen in der Bildmitte mit vollem Körpereinsatz bei der Sache. Die männliche Zivilbevölkerung, (ältere?) Männer und Jungen, beobachtet die Szene eher zurückhaltend. Ganz links steht ein schwarzgekleideter Mann, der seine Hände in der Tasche lässt, und im Hintergrund sieht man, dass ein Junge und ein Mann auf ihren Fahrrädern sitzen bleiben. Nur ein kleines Mädchen macht eine Armbewegung, die man als Hitlergruß identifizieren könnte.
Das Foto schafft durch die Komposition eine Trennung zwischen Zivilisten (linke Bildhälfte) und Truppen (rechte Bildhälfte). Die hellen Kleider der Frauen und Mädchen bilden ebenfalls einen Kontrast zur Dunkelheit der SS (Uniformen, Fahrzeug).
Zu Baustein 4: Unheroische SA-Männer – Subtile Systemkritik?