Im Fokus Online - Neues aus dem LWL-Medienzentrum für Westfalen
Künstliche Kreativität?
Wie KI generierte Medien die Kulturvermittlung verändern – Ein Rückblick auf den Kulturbrunch 2025
Es ist nur schwer absehbar, welche Auswirkungen „Künstliche Intelligenz“ langfristig auf den Kultursektor haben wird. In der öffentlichen Diskussion, gerade in der Kulturszene, prallen die Meinungen über Fluch oder Segen dieser Technologie hart aufeinander. Kein Wunder: Mit Hilfe generativer KI wird es scheinbar möglich, jede menschliche Kreativleistung nachzuahmen, zu optimieren und vielleicht sogar zu übertrumpfen. Wird der Mensch angesichts dieser automatisierten Kreativität als Kulturschöpfer und -vermittler überflüssig?
Künstliche Kreativität?
Unter dem Titel „Künstliche Kreativität? Wie KI generierte Medien die Kulturvermittlung verändern“ rückte der diesjährige Kulturbrunch von LWL-Medienzentrum und LWL-Museumsamt für Westfalen diese Frage in den Fokus. Am 21. Februar 2025 diskutierten knapp 90 Teilnehmende im LWL-Landeshaus in Münster darüber, wie Kulturschaffende mit den rasanten technologischen Veränderungen umgehen und vor allem, wie sie diese positiv für ihre Arbeit nutzen können. Das Programm vereinte dabei theoretischen Input mit praktischen Workshops.
Nach einer kurzen Begrüßung durch Heike Kropff, Leiterin des LWL-Museumsamtes, eröffnete Moderatorin Laura-Marie Iven die Veranstaltung. Mit Barbara Rüschoff-Parzinger (Kulturdezernentin des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe) sprach sie über die Rolle von KI für Kulturschaffende. Beide waren sich darüber einig, dass die KI-Technologie für den Kultursektor viele neue Möglichkeiten eröffne, jedoch auch große Ängste schüre. Neben Fragen nach dem richtigen Umgang mit Datenschutz und Urheberrecht sowie ethischen Bedenken hätten viele Kulturschaffende vor allem Sorge vor der Substitution ihrer Arbeitskraft.
Diese Ängste müsse man ernst nehmen und ihnen gleichzeitig entgegenwirken, betonte Rüschoff-Parzinger. Hierzu sei es entscheidend, gemeinsam Leitlinien und Rahmenbedingungen für die Arbeit mit künstlicher Intelligenz zu entwickeln und Kulturschaffende umfassend zu schulen, um ihnen mehr Sicherheit im Umgang mit der Technologie zu geben.
Während sich dann viele Arbeitsprozesse in Kulturbetrieben mit KI-Werkzeugen optimieren ließen, könnten Kreativität und Expertise laut Rüschoff-Parzinger nicht einfach durch künstliche Intelligenz ersetzt werden. Schöpferische Kraft bleibe etwas genuin Menschliches. Und auch für die kritisch-reflektierte Bewertung und Einordnung von KI-Erzeugnissen brauche es weiterhin die fachliche Expertise der Kulturschaffenden. Schließlich liege die Verantwortung für valide, ethisch und rechtlich einwandfreie Ergebnisse bei denjenigen, die die KI für sich arbeiten ließen und nicht bei der KI selbst. Trotz großer Befürchtung würden Kulturschaffende und ihre Kompetenzen somit keinesfalls überflüssig. Die Gesellschaft sei – nicht erst seit dem Einsatz von KI – stetig im Wandel und Werte, Ansichten und auch Berufe änderten sich ständig. Nun würden auch durch den Einsatz von KI neue Arbeitsbereiche in der Kultur entstehen, während andere Arbeitsbereiche zwangsläufig wegfielen.
Mit der Frage, welche Voraussetzungen in Kultureinrichtungen für einen souveränen Umgang mit Künstlicher Intelligenz geschaffen werden müssten, richtete Iven anschließend den Blick auf die institutionellen Rahmenbedingungen. Rüschoff-Parzingers antwortete pragmatisch: Da die meisten Einrichtungen in absehbarer Zeit kaum die Möglichkeit hätten, spezialisiertes Fachpersonal einzustellen, sei es wichtig, das Bestandspersonal gut zu schulen. Weiterbildungen könnten dabei helfen, das Thema KI in die Häuser zu tragen und ein Bewusstsein für die Möglichkeiten und Grenzen der Technologie zu schaffen. Auch seitens der Träger und der Politik müssten Unterstützungsstrukturen schaffen werden, die es Kulturschaffenden ermöglichten, sich dem Thema anzunähern. Dabei gebe es zunächst kein richtig und kein Falsch: Wichtig sei vor allem der Startschuss: „Wir brauchen den Austausch, wir brauchen die Diskussion“
„Voice of Kulturbrunch“ – Ein KI-Experiment
Einen ersten Anlass zur Diskussion gab das nachfolgende Anwendungsbeispiel: Auf Basis einer Mentimeter-Umfrage unter den Teilnehmenden sowie einiger zusätzlicher Daten unterhielt sich Moderatorin Iven live mit einer Sprach-KI über den bevorstehenden Tag, den Wissensstand der Gäste und das Thema KI in der Kultur. Dabei wurde sie von KI-Trainer Kai Heddergott unterstützt, der die Maschine mit den nötigen Daten für das Gespräch fütterte. Das Erstaunen über die direkte Responsivität der KI und die Präzision der Antworten war groß und machte neugierig auf mehr.
KI trifft Kultur? Die Zukunft ist jetzt!
Um die Praxis zunächst mit einigen theoretischen Grundlagen zu unterfüttern, führte Michael Schwertel, Professor für Medienmanagement an der CBS International Business School am Campus Köln, in seiner Keynote „KI trifft Kultur? Die Zukunft ist jetzt!“ in das Tagungsthema ein. Als Dozent mit dem Schwerpunkt KI und digitale Innovation an der CBS International Business School präsentierte er faszinierende Einblicke in die rasante Entwicklung der künstlichen Intelligenz von ihren Anfängen bis zur Gegenwart.
Schwertel eröffnete seinen Vortrag mit einer von Midjourney generierten Darstellung der KI als Achterbahnfahrt. Diese Metapher verdeutlichte treffend die Geschwindigkeit und Unausweichlichkeit der KI-Entwicklung. Neben den technologischen Meilensteinen ging er im Laufe seines Vortrags auf die Auswirkungen der Technologie auf den Arbeitsmarkt ein. Durch Prozessoptimierung könne in vielen Bereichen eine deutliche Produktionssteigerung erzielt werden. Gleichzeitig steige in anderen Bereichen der Bedarf an spezialisierten Arbeitskräften mit höheren Bildungsstandards. Er bekräftigte damit Rüschoff-Parzingers zuvor getätigte Aussage, dass sich die Arbeitswelt durch KI zwangsläufig wandeln werde. Besonders herausfordernd an dieser Entwicklung sei die Geschwindigkeit der Veränderungen. Mit ihr steige auch das Risiko für Überforderung und die Wahrscheinlichkeit für ein wachsendes Informationsgefälle zwischen KI-Experten und Laien. Um diesen Trends entgegenzuwirken, bedürfe es einer schnelleren Anpassungsfähigkeit und der Bereitschaft der Menschen, kontinuierlich zu Lernen.
In der zweiten Hälfte seiner Keynote präsentierte Schwertel hilfreiche KI-Werkzeuge für Kulturschaffende und benannte unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten für Text-, Bild-, und Video-KIs in Kulturbetrieben. Häufig fänden diese Programme vor allem Einsatz im Marketing und der Öffentlichkeitsarbeit, aber auch in der Projektplanung, der (barrierefreie) Vermittlungsarbeit und der wissenschaftlichen Recherche könnten die richtigen Werkzeuge Kulturschaffende unterstützen.
Schwertel resümierte am Ende seines Vortrags: Ungeachtet aller Bedenken, die mit der neuen Technologie einhergingen, "das größte Risiko von KI ist nicht die Technologie selbst, sondern die verpasste Chance, sie zu unserem Vorteil zu nutzen." Für die Zukunft empfahl er den Teilnehmenden daher Offenheit, Akzeptanz, hohe Lernbereitschaft und kritische Beobachtung im Umgang mit KI-Technologien.
Publikumsfragen
Aus dem Publikum wurde im Anschluss unter anderem die spannende Frage nach CO2-Emissionen und Energieverbrauch von KI-Anwendungen an den Referenten gerichtet. Auch wenn die Datenlage hierzu noch unzureichend sei, so Schwertel, sei die Sorge um die schlechte Umwelt-Bilanz berechtigt. Vor allem das Training der KIs und die Nutzung großer Rechenzentren für ihren Betrieb verbrauchten nachweislich hohe Energiemengen. Perspektivisch bedürfe es daher aus seiner Sicht einer Sensibilisierung für dieses Thema und im Idealfall einer CO2- und Energieverbrauchs-Kennzeichnung. Hier wie überall gelte es letztlich, die Kosten und den Nutzen für den Einsatz der Technologie gegeneinander abzuwägen.
Workshops
Am Nachmittag waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbst gefragt. In jeweils 1 ½-stündigen Workshops mit den Schwerpunkten Video-, Audio-, Text- und Bildgenerierende KI, wurden verschiedene KI-Programme als (künstlerische) Werkzeuge vorgestellt und anschließend ausprobiert.
1. „KI bewegt Bilder: Kreative Anwendungen im Kulturbetrieb“
Den Workshop „KI bewegt Bilder: Kreative Anwendungen im Kulturbetrieb“ übernahm Professor Schwertel selbst. Dabei stellte er zunächst verschiedene KI-Programme vor und erläuterte anhand des KI-gestützten Sprachmodells von Open AI (ChatGPT) und dem KI-Kunst-Programm Midjourney wie mehrere KI-Programme im Verbund genutzt werden können. Im Anschluss probierten die Teilnehmenden selbst die Programme aus. Dabei arbeiteten sie unter anderem mit dem Programm HeyGen, einem KI-Video-Tool, das aus kurzen Aufnahmen realer Personen einen künstlichen, sprechenden Avatar erstellen kann. Auch der kostenlose KI-gestützte Videogenerator Pika.art, der die Produktion von KI-Videos mithilfe von Textbeschreibungen oder Bildern ermöglicht, kam zum Einsatz.
Wenngleich die Teilnehmenden mit beiden Programmen schnell erste Ergebnisse hervorbrachten, wurden auch die Grenzen der Anwendungen sichtbar. Um das volle Potenzial der Programme auszuschöpfen und sie professionell zu nutzen, sei eine umfassende Einarbeitung in ihre Funktionsweise unabdingbar, so Schwertel. Daneben sei auch das richtige Prompting für die Qualität der Ergebnisse entscheidend. Hier sei eine hohe Problembeschreibungskompetenz gefragt. Nach der ausgiebigen praktischen Phase wurden in einer Abschlussrunde noch offene Fragen gestellt. Die Kulturschaffenden zeigten sich dabei konstruktiv-kritisch, informierten sich bei ihrem Referenten über Preise und den Lizenzerwerb unterschiedlicher Programme und diskutierten über Urheberrechts- und Datenschutzfragen.
2. „Stimme der Kultur: Voicebots und KI im Museum“
Yannic Hannebohn, selbstständiger Journalist und Podcast Produzent, erweckte in seinem Workshop „Stimme der Kultur: Voicebots und KI im Museum“ künstlich genereitere Stimmen zum Leben. Im Kulturbereich gebe es bereits viele gute Anwendungsbeispiele für die auditive Vermittlung, erläuterte Hannebohn. Dabei eigneten sich Audio-Formate in besonderem Maße für einen inklusiven Vermittlungsansatz (Mehrsprachigkeit/Leichte Sprache). Anders als bspw. Audioguides, bei denen die Besucher:innen Informationen lediglich aufnähmen, könnten chatbasierte Voicebots den Besucher:innen sogar ein interaktives, immersives Besuchserlebnis bieten.
Den Prozess, einen solchen Voicebot eigenständig zu erstellen, stellte Hannebohn in seinem Workshop von der Formatentwicklung über die Postproduktion und die Werbung bis hin zum Community Management, vor. Dabei präsentierte er nützliche KI-Tools, um die einzelnen Arbeitsschritte zu unterstützen. Im Anschluss ging der Referent genauer auf die Anwendungen Eleven Labs und Vapi.ai ein, mit denen sich die eigene Stimme klonen, Computerstimme generieren und Mehrsprachigkeit auf Knopfdruck erzeugen lassen. Dazu gab er wertvolle Tipps zum richtigen Prompting, unter anderem um Computer-Stimmen „menschlicher“ erscheinen zu lassen. Die Teilnehmenden wurden schließlich über unterschiedliche Aufgabenstellungen dazu angeregt, selbst mit den Programmen zu arbeiten und sich kreativ auszuprobieren.
3. „Ko-Kreative Texterstellung mit KI“.
Julia Meyners, User Experience Designerin VXD Studio, leitete den Workshop „Ko-Kreative Texterstellung mit KI“. Sie sprach sich zunächst für einen besonnenen Einsatz von KI im Arbeitsalltag aus. Vor jeder Nutzung gelte es zu prüfen, ob der Einsatz der Technologie für eine bevorstehende Aufgabe sinnhaft sei. Ergebe sich eine deutliche Arbeitserleichterung, sollte die KI wie ein Copilot und nicht etwa wie ein Autopilot behandelt werden. Dabei kennzeichnete Meyners die Textarbeit als einen wesentlichen Teil der Kommunikation mit der KI. Arbeitsaufforderungen müssten klar, kurz und präzise formuliert werden. Am Ende sei jedes Ergebnis nur so gut, wie der dazugehörige Prompt.
Um Fehler zu erkennen und die Ergebnisse der KI beurteilen zu können, sei darüber hinaus die fachliche Bewertungskompetenz der Nutzer:innen unabdingbar. Damit betonte auch Meyners noch einmal die menschliche Verantwortung beim Einsatz von künstlicher Intelligenz. Ergebnisse seien immer stark durch das Training der KI beeinflusst (Text-Bias) und basierten zudem auf Wahrscheinlichkeiten. Ein kritische-prüfender Umgang mit aller Art von KI-Erzeugnissen sei daher essenziell. Nach der Vorstellung unterschiedlicher KI-Text-Programme und ihrer Funktionen wurden die Teilnehmenden schließlich aufgefordert, ein Veranstaltungsformat für Kinder und Jugendliche im Museum zu entwickeln und dabei ihre Prompting-Fertigkeiten zu schulen.
4. „Es werde Bild: Die Praxis bildgenerierender KI“
Der Workshop „Es werde Bild: Die Praxis bildgenerierender KI“ von Kommunikationsberater und KI-Trainer Kai Heddergott bot einen Überblick über die Nutzung generativer KI für die Bildbearbeitung. Heddergott ging dabei auf aktuelle Entwicklungen, Anwendungsmöglichkeiten und Herausforderungen ein, stellte kommerziellen Bildbearbeitungsprogramme, Open-Source-Anwendungen und lokale KI Modelle vor. Sein Workshop demonstrierte die Vielfalt aber auch die Grenzen aktueller KI-Bildmodelle. Dabei betonte auch Heddergott immer wieder, dass zwei Kompetenzen im Umgang mit der KI entscheidend seien: Die Beschreibung- und die Verifikationskompetenz. Präzise Formulierungen von Anfragen und die Überprüfung der Ergebnisse seien für die Produktion guter Ergebnisse unabdingbar.
Auch im vierten Workshop wurde intensiv über die Themen Urheberrecht, Ethik und Umweltschutz diskutiert: Über rechtlichen und ethischen Grauzonen beim Einsatz von KI müsse man stets sich bewusst sein, erklärte Heddergott. So gebe es zum Beispiel für KI-generierte Bilder aktuell noch keinen Urheberrechtsschutz, da sie nicht als schöpferisch gelten würden. Als Reaktion auf den Wunsch nach mehr Transparenz und Kontrolle über den Energieverbrauch für KI-Anwendungen empfahl Heddergott, falls möglich, besser auf lokale KIs zurückzugreifen.
Zum Tagesabschluss fand im Plenum eine kurze Ergebnispräsentation durch die Workshopleitungen statt. Entlassen wurden die Teilnehmenden nach einem informationsreichen und produktiven Tag von Markus Köster, Leiter des LWL-Medienzentrums, mit vielen neuen Eindrücken und Denkanstößen, wertvollen Tipps für die Arbeit mit KI-Werkzeugen in Kulturbetrieben und einem KI-generierten Lied über den Kulturbrunch 2025.