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Wanderwelten

13.09.2024 Markus Köster

Kategorie: Bildarchiv

Schlagworte: Fotografie · Bild-, Film- und Tonarchiv

Neuer Bildband zeigt historische Fotografien aus dem Nachlass von Richard Schirrmann

Ein doppelter runder Geburtstag bildete den Anlass für einen opulenten Bildband zur Geschichte von Jugend und Jugendherbergen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts, den das LWL-Medienzentrum für Westfalen im Frühjahr 2024 herausgegeben hat. 

Sowohl Richard Schirrmann als auch Wilhelm Münker wären in diesem Jahr 150 Jahre alt geworden. Beide gelten völlig zurecht als die Väter des heute weltumspannenden Netzwerkes der Jugendherbergen. 1909 richtete der aus Ostpreußen stammende Lehrer Richard Schirrmann (1874-1961) in seiner eigenen Schule im sauerländischen Altena die erste Herberge für wandernde Volksschüler ein. Einige Jahre später zog er mit seiner Einrichtung auf die wiederaufgebaute Burg Altena um, die heute den Namen „Weltjugendherberge“ trägt. Anders als Schirrmann stammte sein wichtigster Mitstreiter Wilhelm Münker (1874-1970) gebürtig aus Westfalen, genau genommen aus Hilchenbach im Siegerland. Als Cheforganisator spielte er für den Siegeszug der Jugendherbergsidee ebenfalls eine entscheidende Rolle.

Schirrmann wie Münker waren passionierte Amateurfotografen, ersterer offenbar schon von Jugendjahren an. Zur Verbreitung seiner Idee der Jugendherbergen und des Jugendwanderns setzte Lehrer Schirrmann gezielt auf die Fotografie. Zu seiner Wanderausrüstung gehörte darum neben passendem Schuhwerk, Rucksack und Proviant immer auch ein Fotoapparat.

2008 überließ Schirrmanns jüngste Tochter Gudrun dem LWL-Medienzentrum für Westfalen den gesamten Fotobestand ihres Vaters, ein mehrere tausend Fotografien umfassendes Konvolut aus Glasnegativplatten, Glasdiapositiven, Kleinbildfilmen und Fotoalben. Nicht alle Bilder stammen von Schirrmann selbst, so finden sich unter anderem auch Fotografien des bekannten Wandervogel-Chronisten Julius Groß (1892-1986) in der Sammlung.

Die Fotosammlung zeichnet sich sowohl inhaltlich als auch fotohistorisch durch eine Fülle von bemerkenswerten Aspekten aus. So enthält sie handkolorierte Farbfotografien von Schülerwanderungen um 1910, eine große Zahl hochwertiger Motive aus Schirrmanns Soldatenzeit im Ersten Weltkrieg in Frankreich, zahlreiche eindrucksvolle Gruppenporträts von jungen und älteren Wandernden, spannende fotografische Einblicke in das reformpädagogische Projekt „Kinderdorf Staumühle“ und – natürlich – ausgehend von Burg Altena eine dichte Dokumentation des Auf- und Ausbaus von Jugendherbergen überall in Deutschland. Die Sammlung zählt deshalb zu den herausragenden Beständen des Bildarchivs im LWL-Medienzentrum. Über seine Online-Datenbank (Bildarchiv für Westfalen) macht das Medienzentrum mehr als 3.000 der Schirrmann-Aufnahmen bereits seit einigen Jahren der Öffentlichkeit zugänglich.

Nun war der runde Geburtstag beider Gründer des Jugendherbergswerkes ein willkommener Anlass, um sowohl die Fotosammlung Richard Schirrmanns als auch dessen Lebenswerk und das seines Mitstreiters Wilhelm Münker in der profilierten Reihe „Westfalen in historischen Bildsammlungen“ mit einem eigenen Bildband zu würdigen. Die so entstandene Publikation – Band 13 der Reihe – enthält rund 150 ausgewählte Fotografien aus den Jahren 1900 bis 1933, ergänzt um wenige Motive aus den 1950er Jahren. Die neun Bildkapitel des Bandes vermitteln einen Einblick in das breite Motivspektrum der Sammlung und auch in zentrale Themen von Leben und Werk Richard Schirrmanns und Wilhelm Münkers.

Dem Fototeil des Bandes sind drei Aufsätze vorangestellt, die aus den beiden beteiligten Facheinrichtungen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe stammen: dem LWL-Medienzentrum und der LWL-Kommission Alltagskulturforschung für Westfalen. Markus Köster beschreibt einleitend die Biographien und das Wirken der zwei Gründungspersönlichkeiten des Jugendherbergswerks und spart dabei auch die NS-Zeit nicht aus. Stephan Sagurna ordnet ausgewählte Motive der Bildsammlung, speziell die frühen Farbdias, fotohistorisch ein, und Christiane Cantauw beleuchtet den Einsatz von Schirrmanns Fotografien und anderen Bildern für die Popularisierung des Jugendwanderns und der Jugendherbergen im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts.

Der Bildband dokumentiert nicht zuletzt einen wichtigen ideellen Impuls, der vor über 100 Jahren von Westfalen aus um die Welt ging. Richard Schirrmann und Wilhelm Münker wollten nicht nur preiswerte Unterkünfte für junge Wandertouristen schaffen, es ging ihnen – vor dem Hintergrund ihrer eigenen Kriegserfahrungen – auch und besonders um die Förderung von Frieden und Völkerverständigung. Das macht ihr Werk aktueller denn je!

Bildband:

Wanderwelten - Jugend und Jugendherbergen in Fotografien der Sammlung Richard Schirrmann, herausgegeben vom LWL-Medienzentrum für Westfalen und der Kommission Alltagskulturforschung für Westfalen.

176 Seiten, 150 Abbildungen, SW-Duoton und Farbe, gebunden 22 x 26,5 cm

ISBN: 978-3-949076-25-1

Preis: 24,80 €

Erhältlich im Buchhandel, beim Tecklenborg-Verlag und im Westfalen-Medien Shop

 

Roll-Up-Ausstellung:

Ergänzend zum Bildband ist eine aus sechs reich illustrierten Roll-Ups bestehende Ausstellung entstanden, die bei der Stiftung Deutsches Jugendherbergswerk entliehen werden kann (lothar.molin@web.de)